DAS WEINHAUS   Marcel, wie ist bei Dir die Sehnsucht nach dem eigenen Weingut entstanden? Soweit ich weiß, entstammst Du keiner klassischen Winzerfamilie.

Meine Vorfahren haben alle Weinbau betrieben, jedoch nie in Form eines Weinguts, sondern als Traubenerzeuger. Meine Großeltern haben dann aber den Betrieb altersbedingt aufgegeben. Mich hat die Arbeit draußen in der Natur aber schon von Kind an gereizt und so habe ich als Schüler bereits Ferienjobs bei Weingütern angetreten. Der Wunsch etwas Eigenes zu erschaffen wurde dabei immer stärker. Für mich ist es großartig, wenn man zunächst draußen im Weinberg unter all den natürlichen Einflüssen, perfekte Trauben erzeugt und diese dann zu einem tollen Produkt veredelt, welches mitunter erst Jahre später sein Potential zeigt.

DAS WEINHAUS  Erzähle kurz von Deiner Zeit vor der Selbstständigkeit. Wo hast Du Deine Ausbildung gemacht und wie ging es anschließend weiter?

Ich habe von 2007-2009 in Stuttgart auf dem Weingut Wöhrwag meine Ausbildung zum Winzer gemacht. Danach bin ich nach Geisenheim zum Weinbaustudium, während dieser Zeit hat es mich auch oft ins Ausland zum Arbeiten gezogen. Wichtige Stationen waren unter anderem: Südafrika, Rousillon, Provence und die Schweiz. Während des Studiums wurde dann der Wunsch nach einem eigenen Betrieb immer stärker und ich habe mich dann zum Ende des Studiums für die Gründung meines Weinguts entschlossen.

DAS WEINHAUS  Du hast mir bei meinem Besuch bei Dir erzählt, dass Du jetzt im neu erbauten Weingut ganz anders, und auch konsequenter arbeiten kannst. Wo zeigt sich das genau und wie wirkt sich dies bereits jetzt in Deinen Weinen aus?

Wir haben nun deutlich mehr Platz zur Verfügung, was uns z.B. während der Weinlese die Möglichkeit gibt, die Trauben zu kühlen. Das wird bei den Temperaturen, die wir die letzten Jahre während der Weinlese hatten, immer wichtiger. Ebenso können wir nun mehrere Jahrgänge an Rotweinen um Holzfasslagern, was seither kaum möglich war. Das gibt den Rotweinen nochmals eine andere Dimension und wir können die Weine bis zur perfekten Reife lagern und dann auf die Flasche füllen.  Ich bin überzeugt, dass hier ein deutlicher „Schritt nach vorne“ bei unseren Weinen spürbar ist.

DAS WEINHAUS  Deine Weine haben eine ganz eigenständige Stilistik. Was hat bei Dir oberste Priorität bei der Vinifizierung Deiner Weine?

Ich versuche möglichst wenig technischen Einfluss auf das Lesegut und die späteren Weine zu nehmen. D.h. wir arbeiten sehr schonend mit Gravitation und wenig Pumpvorgängen. Die Weißweine erfahren eine lange Maischestandzeit von 6-24 h. Ich bin absolut überzeugt, dass wir dadurch die haltbareren und vor allem auch vielschichtigeren Weine erhalten. Spontangärung ist bei meinen Weissweinen ein Muss und hier wird nur sehr wenig Einfluss auf deren Verlauf genommen (minimale Temperaturkorrektur). Der Faktor Zeit spielt hier eine entscheidende Rolle. Bei den Rotweinen sortieren wir sehr penibel Bruchstücke von Rappen und ähnliches aus, damit keine grünen Gerbstoffe in den Wein gelangen. Vor allem beim Lemberger ist dies entscheidend. Die Wahl des Holzes ist für mich absolut wichtig: hier habe ich für jede Sorte/Weinart eine favorisierte Küferei.

DAS WEINHAUS  Die Ortschaft Strümpfelbach verbinden nach wir vor immer noch viele Weintrinker mit einfachsten Schoppenweinen. Wie stufst Du persönlich das Potenzial der Region und Deiner Weinberge ein?


Ja das ist leider so, da der Name der Großlage „Strümpfelbacher Sonnenbühl“ für günstige und einfache Weine verwendet wird. Das liegt aber keinesfalls an einem verminderten Potential unserer Lagen, sondern vielmehr an einer Nachfrage der Konsumenten in den 60er/70er Jahren. Damals waren diese Massenweine gefragt und wurden logischerweise auch von den Winzern produziert. Leider haben sich bis heute einiger dieser Weine und teilweise auch die Erinnerung gehalten. Ich bin aber absolut von unseren Lagen und Böden hier im Ort überzeugt. Wir haben eine super Vielfalt an Lagen und Mikro-Klimata. Wenn man sich die Weinberge an den Hängen anschaut wird einem das sehr schnell klar: Die Ausrichtungen der Weinberge und die Höhen von 240 m NN bis 400 m NN bringen extrem unterschiedliche Weine sowohl im Weißwein als auch im Rotwein hervor.

DAS WEINHAUS  Deine Weine haben sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. An was genau machst Du dies fest und was sind rein geschmacklich betrachtet die Ziele die Du mit Deinen Weinen zukünftig verfolgst?

Ich denke ich habe nun einen sehr guten Stil gefunden, der sich durch das komplette Sortiment durchzieht. In den ersten Jahren habe ich natürlich auch viel ausprobiert und dazugelernt. Ich arbeite nun noch konsequenter im Keller, ohne dabei großen Einfluss auf die Weine zu nehmen.  Unsere Böden sind nun auch deutlich vitaler nach knapp 10 Jahren biologischer Bewirtschaftung. Zudem sind unsere Bestände in den Weinbergen nun in einem tollen Alter, das macht sich vor allem bei den Rieslingen und Lembergern deutlich bemerkbar. Zukünftig wollen wir unseren Stil ganz klar auf schmackbare Herkunft, Finesse, Frische und Eleganz auslegen. Das ist bei der aktuellen Klimaentwicklung sicherlich eine Herausforderung, aber gerade dadurch können wir uns von anderen, südlicheren Gebieten differenzieren. Aber auch das Thema Naturwein beschäftigt mich als kleine Nische. Diese Art der Weine bringen nochmals ein ganz anderes Geschmackserlebnis mit und eignen sich perfekt für ausgefallene Speisen.

DAS WEINHAUS  Im Handel merke ich, dass sich die Weine aus dem Anbaugebiet Württemberg immer noch schwertun. Das schlechte Image früherer Tage hat selbst die nachwachsende Weintrinker-Generation noch nicht vollständig hinter sich gelassen. Wie schätzt  Du persönlich diese Situation ein und wo genau siehst Du Deine Zielgruppe?

Da gebe ich dir Recht, auch wir tun uns oft schwer, wenn wir unsere Weine in anderen Gebieten wie z.B. Hamburg oder Berlin präsentieren. Ich denke das Image liegt oft auch an der überregionalen Gebietswerbung für Württemberger Weine. Diese zielt leider immer noch viel zu sehr auf das alte Bild der Vierteles-Trinker ab. Da können wir nur mit unserer Persönlichkeit und dem eigenen Stil überzeugen, was uns auch sehr oft gelingt. Wir haben sehr viele jüngere Kunden (ab Anfang 30), die einen Sinn für Qualität haben und denen die biologische Produktion wichtig ist. Aber auch „klassische Weintrinker“ oder Kenner lassen sich von unseren Weinen überzeugen.

DAS WEINHAUS  Warum sollten wir alle mehr Weine aus Württemberg trinken?

Weil Württemberg momentan zu einem der dynamischsten Anbaugebiete in Deutschland zählt. Es ist unglaublich, was hier an Vielfalt und an super Winzern heranwächst. Außerdem haben wir hier in der Region tolle Lebensmittel, die sich perfekt mit unseren Weinen verbinden lassen.

DAS WEINHAUS  Noch ein Statement bitte zu Deinem Trollinger „Alte Reben“! Ich finde diesen Wein einfach wunderbar. Ein grandioses Beispiel wie gut Trollinger sein kann. Was hat´s mit diesem Wein auf sich und wie kitzelst Du so viel Qualität aus dieser Rebsorte heraus?

Danke für das Kompliment! – Grundsätzlich ist meine Herangehensweise bei diesem Trollinger so, dass ich mir sage „Du kannst aus dem Trollinger keinen schweren Rotwein machen“. Alle Versuche dieser Art, egal von welchem Winzer, sind bislang gescheitert. Entweder wird dann mit maximaler Chaptalisierung oder einem hohen Verschnitt anderer Rebsorten gearbeitet. Wir müssen uns doch klar machen, für was steht diese Rebsorte? – Der Trollinger ist und bleibt ein leichter Rotwein, der entweder ein „Primeur-Typ“ haben kann oder im Stil eines leichten Burgunders ausgebaut werden kann. Ich habe für diesen Wein unsere ältesten Weinberge ausgesucht, aus denen wir nur einen Teil der Trauben, die besonders kleinbeerig sind, ernten. Dadurch bekommen wir natürlich schon sehr viel mehr Kraft in den Wein. Die Trauben werden dann ca. 14 Tage lang im offenen Holzgärständer vergoren. das geschieht ohne Reinzuchthefe und mit ca. 25 % ganzen Trauben. Gerade dies macht den anfänglich „wilden Charakter“ dieses Trollingers aus. Der Ausbau findet in gebrauchten Tonneaus für gut 12 Monate statt, bis der Wein dann ohne Filtration und mit geringer Schwefelgabe gefüllt wird. Viele Kunden verkosten den Wein und kommen nicht darauf, dass dies ein Trollinger ist. Wie schon erwähnt, hat der Wein anfänglich etwas „Wildes“ in der Nase, was sich dann aber nach ein paar Minuten im Glas ganz wunderbar in eine tolle Waldfrucht verändert. Am Gaumen besitzt er merkliche Gerbstoffe und eine feine Säure, die dem Wein Frische verleiht. Ich persönlich trinke ihn entweder zu typisch Schwäbischen Gerichten, wie z.B. Linsen mit Spätzle oder auch im Sommer auf ca. 14° gekühlt zu einem gegrillten Fleisch.



DAS WEINHAUS  Herzlichen Dank für das Interview. Weiterhin alles Gute und viel Erfolg!!



 

M A R C E L   I D L E R

 

 


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© 08.03.2024