DAS WEINHAUS   Niclas, Du bist Küchen-Chef im Restaurant Mühle in Schluchsee. Seit wann bist Du hier für die Kulinarik zuständig und wo hast Du davor schon überall gekocht?

Seit Februar 2021 bin ich Küchenchef in der Mühle Schluchsee. Bevor es mich an den Schluchsee verschlagen hat, war ich ein Souschef bei Christan Jürgens am Tegernsee. Ansonsten haben mich vor allem meine Ausbildung im Restaurant Erbprinz in Ettlingen und eine Stelle als Chef Patissier im Wald und Schlosshotel Friedrichsruhe sowohl fachlich und persönlich geprägt.


DAS WEINHAUS   Was war für Dich der ausschlaggebende Grund um in den Schwarzwald zu wechseln?

Ganz uncharmant, die Stelle in der Mühle Schluchsee. Es ist alles andere als üblich mit 27 Jahren die Chance zu bekommen, ein Restaurant wie die Mühle Schluchsee zu leiten, und nach seinen eigenen Vorstellungen zu führen.


DAS WEINHAUS   Meines Wissens ist dies Deine erste Stelle als Küchen-Chef. Kannst Du uns erzählen was Deinen Küchen- bzw. Kochstil ausmacht und vorauf sich Eure Gäste ganz besonders freuen dürfen?

Mein Kochstil macht auf jeden Fall die Kombination aus der Reduziertheit, mit der wir an jedes Gericht gehen und die Qualität der einzelnen Komponenten aus. Wir versuchen die Zeit, die wir täglich in der Küche verbringen so effektiv wie möglich zu nutzen. Das bedeutet für uns, dass wir Zeit in Abläufe oder Produkte investieren, von denen auch der Gast einen Mehrwert hat. Ein Großteil meiner täglichen Arbeitszeit z.B besteht darin, alle Saucen frisch zu aromatisieren und anzusetzen.


DAS WEINHAUS   Deine Gerichte werden ausgesprochen ästhetisch und tendenziell recht puristisch angerichtet. Welche Philosophie versteckt sich dahinter?

Schön, dass dir das auffällt. Ja, wir arbeiten sehr reduziert. Weil für mich weniger mehr ist. Bei einem meiner Gerichte sollte das Hauptprodukt immer deutlich im Mittelpunkt stehen und dessen Eigengeschmack hervorgehoben und nicht verfälscht werden.


DAS WEINHAUS   Ihr habt innerhalb sehr kurzer Zeit großartige Bewertungen (u.a. 8/10 Pfannen im Gusto und 1 Michelin-Stern) und eine tolle Presse in einschlägigen Food-Magazinen erhalten. Warst Du davon selbst etwas überrascht?

Natürlich hat mich das überrascht. Es war definitiv ein Ziel von uns bei den führenden Kritikern, wie dem Gusto gelistet zu sein. Aber ein Einstieg, nach nur ein wenig mehr als einem halben Jahr mit 8 Pfannen, übersteigt alles was ich mir vorgestellt habe. Dass unsere tägliche Arbeit und all die Mühe und Zeit, die wir in unser Tun stecken, in so einem Maß gewürdigt werden, ist wirklich eine tolle Bestätigung und zeigt, was für ein Potential in unserem noch so jungen Betrieb steckt.


DAS WEINHAUS   Wenn es um Produkt-Qualität geht ist Dein Anspruch extrem hoch. Wie schwer ist bzw. war es für Dich ein dementsprechendes Lieferanten-Netzwerk aufzubauen, das Dich mit genau der Qualität beliefert, die Du Dir vorstellst?

Es ist tatsächlich sehr schwer. Natürlich habe ich bei meinem Lieferanten-Netzwerk nicht bei Null angefangen. Viele der Lieferanten, die mich heute betreuen und beliefern, kenne ich bereits seit Jahren. Die Beschaffung der Waren, auf dem Niveau, auf dem ich sie erwarte, ist eine der zeitraubenden Aufgaben in meinem Alltag. Bestellungen beruhen auf Vertrauen. Und das bedarf Zeit aufgebaut zu werden.


DAS WEINHAUS   Wie wichtig ist Dir bei der Beschaffung Deiner Zutaten die Regionalität? Ich frage Dich aus dem Grund, weil ich den Begriff inzwischen etwas überstrapaziert finde, und man regional nicht mit gut und hochwertig gleichsetzen kann. Wie dogmatisch agierst Du bei der Auswahl Deiner Rohstoffe?

Regionalität ist für mich mehr Selbstverständlichkeit als ein Dogma. Ich beziehe viele Produkte hier aus der Gegend, wie Wurstwaren und Käse sowie Milchprodukte oder Gemüse aus dem Schwarzwald. Wir haben da ein großartiges Netzwerk mit Produzenten aufgebaut, die einen enorm hohen Anspruch an ihre Arbeit haben und auch individuell auf meine Wünsche eingehen. Dennoch beziehen wir besondere Produkte aus dem Ausland, die es in Deutschland entweder überhaupt nicht gibt, oder nicht in der Qualität wie wir sie uns vorstellen. Wie z.B. französische Rohmilchbutter oder Fische.


DAS WEINHAUS   Die Mühle ist nicht nur Restaurant sondern auch gemütliches Boutique-Hotel mit 10 individuellen Zimmern. Sehr idyllisch und etwas abgelegen. Perfekt um Kraft zu tanken und zu genießen! Welche Gäste sprecht Ihr primär an und wohin soll aus kulinarischer Sicht in den nächsten Jahren die Reise gehen?

Ich glaube, die Antwort steckt schon in deiner Frage. Obwohl die Mühle schon 1604 erbaut wurde, wird nun ein neues Kapitel geschrieben. Nach nur 2 Jahren hat die Mühle schon einen kulinarischen Fußabdruck hinterlassen. Diesen gilt es nun auszuprägen und zu vertiefen, so dass noch mehr kulinarisch interessierte Menschen zu uns in den Schwarzwald kommen und die Ruhe und Gastfreundschaft, die die Mühle ausstrahlt, genießen.


DAS WEINHAUS   Es wird derzeit sehr viel über kulinarische Konzepte gesprochen und diskutiert. Die Gastronomie scheint spätestens seit Corona im Wandel zu sein. Was glaubst Du, wohin wird sich die Gastronomie allgemein entwickeln und wo wird es aus Deiner Sicht speziell in der Spitzen-Gastronomie die größten Veränderungen geben?

Ich glaube die Gastronomie steht aktuell vor einem Scheidepunkt. Wohin sich das alles entwickelt, kann ich leider nicht abschätzen. Entscheidend ist, dass es so nicht weiter gehen kann. An allen Ecken in der Gastronomie zwickt es. Vor allem der Personalmangel beschäftigt aktuell fast jeden Gastronomen den ich kenne.


DAS WEINHAUS   Ihr seid in der „Mühle“ ein auffallend junges und ausgesprochen engagiertes Team. Merkt Ihr, dass dadurch auch überdurchschnittlich viele junge Gäste Euer Haus bzw. Euer Restaurant besuchen?

Das Alter unserer Gäste ist ganz unterschiedlich und gemischt. Ich denke nicht, dass es etwas mit dem Alter unseres Teams zu tun hat, dass auch einmal jüngere Menschen unser Restaurant besuchen. Ich glaube eher, dass sich die jüngere Generation, zu der ich auch zähle, sehr viel mit dem was sie Essen und der Herkunft des Essens auseinandersetzen - und dann ist ein Besuch in einem Restaurant wie unserem nicht unwahrscheinlich.


DAS WEINHAUS   Du servierst im Restaurant lediglich ein Menü. Der Gast hat die Option die Anzahl der Gänge (5, 6 oder 7 Gänge) zu wählen. Ist für Euch „À la Carte“ grundsätzlich denkbar oder aufgrund Eurer Personalstruktur und dem damit verbundenen Aufwand  überhaupt kein Thema? Und wo siehst Du persönlich die Vorteile (für Dich und für den Gast), wenn „nur“ ein Menü serviert wird?

Nein, ich sehe keine Möglichkeit auf á-la-carte bei uns. Wir sind ein kleines Restaurant mit nur 10 Tischen und 21 Sitzplätzen. Der mit á-la-carte wachsende Aufwand ist zwar nicht zu unterschätzen, aber für mich nicht der ausschlaggebende Punkt bei meiner Entscheidung, sondern dass man bei einer á-la-carte Karte nicht mehr so kalkuliert einkaufen kann. Wir wissen genau, bevor wir unsere Waren bestellen, an welchem Tag wir wie viele Gäste haben. Und für diese Gästezahl wird dann passgenau eingekauft. Dadurch arbeiten wir deutlich nachhaltiger und ressourcenschonender.


DAS WEINHAUS   Welcher Restaurant-Besuch hat Dich in den vergangenen zwei, drei Jahren am meisten fasziniert und warum?

Das Restaurant Oben in Heidelberg. 2013 war dort eine meiner ersten Stellen, nach meiner Ausbildung, und mit dem Küchenchef Robert Rädel verbindet mich seither eine sehr gute Freundschaft. Das ‚Oben‘ ist für mich ein ganz besonderer Ort, an dem ein Maß an Gastfreundschaft herrscht, wie man es nur selten erlebt.


DAS WEINHAUS   Gibt es für Dich klassische Vorbilder (aus Gastronomie oder anderen Branchen) oder machst Du Dich davon völlig frei?

Vorbilder nicht direkt. Es gibt eher Menschen, die mich inspirieren. Das sind meist Sportler, die trotz ihrer Erfolge immer noch weiter machen wollen und nie „satt“ werden.


DAS WEINHAUS   Wenn Du morgen die Möglichkeit hättest eine besonders spannende Genuss-Destination für längere Zeit zu besuchen und zu erkunden, wohin würde es Dich aus kulinarischer Sicht ziehen?

New York. Es gibt wahrscheinlich keine Stadt, die kulinarisch vielfältiger ist. Vom besten Street-Food bis hin zu drei Sterne Restaurants, die die besten und exklusivsten Produkte der ganzen Welt kaufen sowie das einzige vegane drei Sterne Restaurant der Welt.


DAS WEINHAUS   Verrate uns doch, mit welchem Leib-Gericht (außerhalb der Gourmetküche) man Dich so richtig glücklich machen kann?

Ich liebe alles Essen, das mit Herz und Hingabe hergestellt wird. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es Sushi. Es ist das einzige Gericht, bei dem ich „abschalten“ kann, weil Sushi von meiner Art zu Kochen weit entfernt ist und ich beim Essen ohne Bewertung des Gerichtes einfach nur Gast sein kann.


DAS WEINHAUS   Lieber Niclas, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch. Toll, dass Du Dir die Zeit dafür genommen hast. Weiterhin alles Gute, viel Erfolg in der „Mühle Schluchsee“ und vor allem beste Gesundheit!!




 

N I C L A S   N U S S B A U M E R

 

 

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© 08.03.2024